Aufbruch in die Bauwelt 4.0 - TU Kaiserslautern und Landesbetrieb LBB stellen Forschungsprojekt vor

Das Stichwort „Industrie 4.0“ gilt nicht nur für das produzierende Gewerbe, auch im Bausektor schreitet die Digitalisierung voran: Die datenbankgestützte Planungsmethode BIM hat das Potenzial, das Zusammenwirken aller Beteiligten beim Planen, Bauen und Bewirtschaften von Gebäuden auf neue Grundlagen zu stellen. Im Auftrag des Landesbetriebs LBB wurden bei einem BIM-Forschungsprojekt an der Technischen Universität Kaiserslautern mögliche Schnittstellen und Anwendungsbereiche für das Bau- und Facilitymanagement der öffentlichen Hand untersucht.

Mainz –  Das sommerliche Treffen des BIM-Clusters Rheinland-Pfalz in der Architektenkammer in Mainz war schon weit vor Anmeldeschluss ausgebucht: ein Zeichen für das große Interesse der Bauwirtschaft, ihrer Kammern und Verbände an der voll digitalisierten Planungsmethode BIM. Building Information Modeling wird ausgehend vom englischsprachigen Raum und Skandinavien weltweit immer mehr zum Standard. Bei dem 15-monatigen Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Baubetrieb und Bauwirtschaft von Prof. Dr.-Ing. Karsten Körkemeyer arbeiteten TU Kaiserslautern und eine eigens gebildete BIM-Arbeitsgruppe im Landesbetrieb LBB eng zusammen. Unter der Federführung von Aqib Rehman, M. Sc. (Bauingenieur) wurden die Kernprozesse für die Beschaffung der baulichen Infrastruktur, den Betrieb und die Vermögensverwaltung auf die wesentlichen Schnittstellen zu BIM hin untersucht. Das betrifft nicht nur die Bereiche des staatlichen Planens und Bauens, sondern auch das kaufmännische, technische und infrastrukturelle Facilitymanagement.  

Vor rund 60 Vertreterinnen und Vertretern aus Institutionen und Bauwirtschaft zog Prof. Körkemeyer ein erstes Fazit: „Das Forschungs- und Entwicklungsprojekt leistet einen wichtigen Beitrag dazu, die Prozesse innerhalb der Organisation des LBB und an den Schnittstellen zu den weiteren Baubeteiligten bezüglich ihrer Eignung für die die Digitalisierung und BIM-Arbeitsmethodik zu analysieren, zu dokumentieren und zu optimieren. Um eine möglichst hohe Effizienz bei der Etablierung des BIM-Ansatzes zu erreichen, muss das Bauwerksinformationsmodell den gesamten Wertschöpfungsprozess einer Immobilie begleiten. Alle Akteure vom Auftraggeber über die Planer und die ausführenden Unternehmen bis zu den Betreibern und Nutzern müssen somit die jeweiligen spezifisch erforderlichen BIM-Kompetenzen aufweisen. Diese werden ausschließlich vom Auftraggeber definiert. Im Projekt wurden die Erkenntnisse – insbesondere die Auftraggeber-Informationsanforderungen (AIA) und die Grundlagen des BIM-Abwicklungsplans (BAP) – aus dem Blickwinkel des LBB erarbeitet, jedoch mit dem Anspruch, sie für möglichst alle öffentlichen Auftraggeber in generalisierter Form nutzbar zu machen. Dies gelang insbesondere durch die starke Fokussierung auf die Richtlinien zur Durchführung von Baumaßnahmen auf Landes- und Bundesebene sowie für die Gaststreitkräfte.“

Bei BIM (Building Information Modeling) arbeiten alle Architekten, Ingenieure und Fachplaner und die Bauwirtschaft an ein und demselben 3D-Modell, das zentral gemanagt wird. Es enthält neben den geometrischen „gezeichneten“  3D-Plänen auch die technischen Informationen zu sämtlichen Bauteilen. Beispielsweise können das für eine Tür Angaben zu Material, Brandschutzklasse und dem Fabrikat der Türdrücker sein; bei einer Umwälzpumpe die Produktbezeichnung, Herstellerunterlagen und Angaben zu Wartungszyklen. Alle Informationen zum Gebäude sind mit dem 3D-Modell verknüpft. Sobald verschiedene Fachplanungen kollidieren, etwa ein künftiger Leitungsverlauf mit einer vorgesehenen Türöffnung, wird das im Modell sofort sichtbar und vom System gemeldet. Die Fachplanungen können entsprechend geändert werden. Während der baulichen Umsetzung können Baufirmen und Handwerker aus dem BIM-Modell Informationen zu ihren beauftragten Gewerken ziehen. Baupreise, Angebote und Abrechnungen sowie detaillierte Bauzeitenpläne sind hinterlegt. Doch BIM beginnt schon lange vor dem Bau. Bereits beim Wirtschaftlichkeitsvergleich von verschiedenen Beschaffungsvarianten oder Unterbringungslösungen kann BIM eine Rolle spielen, später ebenso für die Verwaltung des fertigen Gebäudes, das Facilitymanagement und den Bauunterhalt.

Das Projekt ist deutschlandweit das erste und bisher einzige, das den konkreten Nutzen von BIM für den öffentlichen Auftraggeber untersucht. Die Ergebnisse könnten eine Richtschnur für andere öffentliche Bauverwaltungen sein, die ihre eigenen Prozesse mit Blick auf BIM analysieren wollen.     

„Die Zusammenarbeit zwischen der TU Kaiserslautern und der BIM-Arbeitsgruppe des Landesbetriebs war während der gesamten Projektphase sehr intensiv“, sagte Holger Basten, Geschäftsführer des Landesbetriebs LBB. „Die Kombination aus wissenschaftlicher Herangehensweise und praktischem Know-how stellte für beide Seiten eine Bereicherung dar. Der LBB hat dieses Projekt angestoßen, damit wir auf wissenschaftlicher Grundlage für alle unsere Kernprozesse die Schnittstellen erkennen, um an BIM-Planungen  der von uns beauftragten Architekten und Ingenieure zu partizipieren und den Projektablauf zu steuern. Beim LBB gilt es, die DV-technischen Voraussetzungen zu schaffen, um rund 50 Fachprogramme und auch zentrale Steuerungsprogramme wie SAP BIM-kompatibel zu entwickeln. Ebenso gilt es beim Datenschutz die erforderlichen Sicherheitsstandards zu erarbeiten.  Ich freue mich, dass der LBB zusammen mit der TU Kaiserslautern die Ergebnisse dieses Forschungsprojekts auch anderen Baubetrieben und -verwaltungen zur Verfügung stellen kann. Ergänzend zu der strategischen Unterstützung von BIM auf politischen Entscheidungsebenen ist das Projekt ein wichtiger Baustein aus der Praxis für die Praxis.“   

Die praxisbezogene Forschungsarbeit wollen Landesbetrieb LBB und die TU Kaiserslautern mit dem Aufbau eines BIM-Labors fortsetzen. Dieses Anschlussprojekt  unterstützt der Landesbetrieb LBB in der Anlaufphase für die ersten anderthalb Jahre. Beim BIM-Labor geht es darum, wie die Fachplanungen, die von freiberuflichen Architektur- und Ingenieurbüros mit unterschiedlichen Software-Anwendungen erstellt werden, über Schnittstellen in das gemeinsame BIM-Modell eingespeist werden (Open-BIM-Ansatz). Im ersten Schritt wird  die vorhandene Datenumgebung LBB-intern und in der Kommunikation mit LBB-Auftragnehmern so realistisch wie möglich dargestellt. In einer folgenden Ausbaustufe soll sich das BIM-Labor weiteren interessierten Planern, Unternehmen und Bauakteuren öffnen. Sie können dann, nach Abstimmung untereinander, auch mit den jeweils eigenen Datenverarbeitungs­instrumenten ihre BIM-Kompetenz unter IT-Gesichtspunkten ausbauen. Das BIM-Labor kann für die Begleitung von Pilotmaßnahmen, bei Fragestellungen zur Auswahl von Soft- und Hardware oder für Schulungen genutzt werden. Auch diese Ergebnisse werden der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

„BIM steht vor allem für eines: bessere Kommunikation“, sagte Dipl.-Ing. (FH) Eva Holdenried, Vorstandsmitglied der Architektenkammer Rheinland-Pfalz. „Das Bauen wird immer komplexer und stellt immer größere Herausforderungen an alle Projektbeteiligten, so dass es schwierig werden kann den Überblick zu behalten. Die gemeinsame Arbeit am Gebäudemodell zeigt die planerischen Konflikte frühzeitig auf und ebenso frühzeitig werden Lösungen erarbeitet –  kooperativ und integrativ.

Mit den Ergebnissen des Forschungsprojekts liegt endlich eine gute Grundlage für den BIM-Prozess vor. Der BIM-Erfolg ist unmittelbar an den informierten Bauherren gebunden. Nur wenn der Bauherr sich frühzeitig mit seinen Anforderungen an die Planung und die Informationen auseinandersetzt, kann auch der BIM-Prozess zielgerichtet erfolgen. Besonders begrüßen wir, dass der Open-BIM-Gedanke im Zentrum der Betrachtungen steht, denn anders als im angelsächsischen und skandinavischen Raum haben wir in Deutschland eine ausgesprochen kleinteilige Struktur der Architekten- und Ingenieurbüros und nach wie vor die Trennung von Planung und Bauen als qualitätssicherndes Element. BIM wird sich hier nur durchsetzen, wenn es praktikabel bleibt, wenn offene Datenstrukturen genutzt werden können und wenn die Anforderungen realistisch bleiben. Der LBB und die TU Universität Kaiserslautern gehen hier insbesondere mit dem BIM-Labor einen zukunftsgerichteten Weg, der die Praxis bei der Implementierung von BIM aktiv unterstützt. Damit liegen sie auf einer Linie mit der effizienten, praxisorientierten Arbeit des BIM-Clusters Rheinland-Pfalz. Wir vernetzen die Prozessbeteiligten und bringen die Thematik landesweit deutlich voran. Deshalb danken wir dem LBB und der TU, dass sie ihre Erkenntnisse und damit die Basis für die zukünftige Zusammenarbeit einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen.“  

Der Abschlussbericht des Forschungsprojekts kann auf der Homepage der „Forschungsinitiative zur Digitalisierung im Bauwesen“ abgerufen werden: https://www.bim4rlp.de